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Diskriminierung von psychisch erkrankten Menschen

Die medizinische Versorgung von Menschen mit körperlichen Erkrankungen in der Schweiz ist hochgerüstet und gehört weltweit zur Spitzenklasse. Verglichen damit kommen in der  psychiatrischen Versorgung  bekannte und bewährte Erkenntnisse gar nicht zum Einsatz.

Das ist diskriminierend und widerspricht Artikel 12 der Bundesverfassung: «Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind».

Zum menschenwürdigen Dasein gehört es auch, dass Menschen in höchster psychischer Not eine menschenwürdige Behandlung und Betreuung erhalten. Eine solche ist in der Regel möglich – und zwar auch ohne freiheitsbeschränkende Massnahmen. Leider gehören letztere in der Schweiz immer noch zum Standardrepertoire der psychiatrischen Intensivstationen. Diesen Umstand rügte auch der UNO-Behindertenrechtsausschuss, als er im Jahr 2022 die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention überprüfte.

Zu den freiheitsbeschränkenden Massnahmen zählen:

  • geschlossene Türen
  • elektronische Überwachungs- bzw. Alarmsysteme
  • Festhalten
  • Festbinden der Person an Stuhl oder Bett
  • Bett-Seitenteile
  • Gabe von sedierenden Medikamenten
  • Unterlassen von Mobilisierung
Ein Blick in die Intensivstation eines Akutspitals

Rahmenbedingungen

  • Auf einen Patienten kommen rund um die Uhr 2-3 Pflegefachleute.
  • Voraussetzung, um als Pflegefachperson arbeiten zu können, ist eine anerkannte Zusatzausbildung.
  • Für den Betrieb einer Intensivstation bedarf es eines Zertifikats der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin. Letztere überprüft die Station regelmässig. Eine ungenügende Bewertung zieht entsprechende Verbesserungsmassnahmen nach sich.
Ein Blick in den Intensivbereich einer psychiatrischen Klinik

Rahmenbedingungen

  • Es gibt keine Vorgaben für die Anzahl Pflegefachleute pro Patient.
  • Pflegefachpersonen arbeiten ohne eine anerkannte Zusatzausbildung.
  • Der Intensivbereich untersteht keiner Zertifizierungspflicht und wird nicht überprüft.
  • Der Intensivbereich umfasst in der Regel mehrere Einer- und Zweierzimmer. Die Einerzimmer sind je nach Befinden der Patient:innen geschlossen oder offen. Geschlossen geführt werden sie auch Isolierzimmer genannt.
  • Patient:innen im Isolierzimmer sind auf sich allein gestellt. Sie werden nur in regelmässigen Abständen kurz von einer Pflegefachperson aufgesucht.
« Die Diskriminierung von psychisch Erkrankten fusst auf der immer noch weit verbreiteten Stigmatisierung. Die CSS Gesundheitsstudie von 2021 stellte u. a. die Frage: «Gibt es in der Schweiz zu wenig Verständnis für bestimmte Krankheiten und Gebrechen?» Mit 61 Prozent fielen die mit Abstand am meisten Antworten auf «psychische Erkrankungen». Das zeigt sehr deutlich, wie tief die Diskriminierung psychisch erkrankter Menschen in der Volksseele verankert ist. »
Psychisch Kranke sind diskriminiert, auch aus Sicht von Islam Alijaj, dem Mann mit Zentralparese und neu gewähltem Nationalrat

Islam Alijaj weist in seinem Buch «Wir müssen reden – Ein biographisches Manifest» auf Menschen hin, die entweder gar nicht oder zu wenig gesehen werden oder die man noch nicht sehen will. Dazu zu zählt er auch die Menschen mit psychischen Einschränkungen.

Lesen Sie hier die entsprechende Passage aus seinem oben erwähnten Buch auf Seite 51, wo er die  Stigmatisierung als Ursache der Diskriminierung entlarvt.