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Zu zweit durch die Krise

Eine Depression ist für eine Beziehung eine enorme Herausforderung. Übernehmen die Partner der erkrankten Menschen zu viel Verantwortung, tragen sie womöglich ungewollt zur Chronifizierung des Leidens bei. Wie man am besten hilft, erklärt der Psychologe Guy Bodenmann im Interview.

Artikel von Spektrum.de, erschienen am 03.02.2024.

Erkrankt ein Mensch an einer Depression, unterscheidet das soziale Umfeld häufig zwischen einem gesunden Partner, der helfen soll, und einer kranken Person, um die man sich kümmern muss. Doch diese Rollenzuweisung ist problematisch: Die Partnerinnen und Partner von depressiven Menschen stoßen oft ebenfalls an ihre Grenzen und unterstützen am besten, wenn sie sich ohne schlechtes Gewissen Freiräume schaffen, erklärt der Psychologe und Paartherapeut Guy Bodenmann. Sinnvoll ist es, die Erkrankung als gemeinsame Herausforderung zu betrachten.

Professor Bodenmann, depressive Menschen kommen morgens oft nicht aus den Federn. Darf man ihnen die Bettdecke wegziehen, um sie zum Aufstehen anzutreiben, oder sollte man sie aus Mitgefühl weiterschlafen lassen?

Guy Bodenmann: Weder noch. Um eine Depression zu überwinden, sollte man ins Tun kommen, was in der Regel voraussetzt, dass man am Morgen aufsteht. Die Decke wegzuziehen wäre aber zu rabiat. Wenn man mit einem depressiven Menschen liiert ist und diesen bei der Genesung unterstützen möchte, sollte man Verständnis zeigen für sein Leid und gleichzeitig motivierend einwirken, indem man ihn in Aktivitäten einbindet.

Was läuft andernfalls schief?
Es kommt vor, dass zu viel Zuwendung und Interesse an der Schilderung von Symptomen eine Abwärtsspirale in Gang setzt. Man fragt nach, wie es der Partnerin oder dem Partner geht, setzt sich ans Bett und hört zu. Empathie ist angebracht und wichtig. Doch das Mitgefühl darf nicht dazu führen, dass die erkrankte Person immer mehr klagt und immer länger im Bett bleibt. Angehörige schonen an einer Depression Erkrankte zudem, indem sie deren Aufgaben und bestimmte Tätigkeiten übernehmen. Beides ist problematisch und verstärkt die Depression – selektive Aufmerksamkeit auf die Symptomatik ebenso wie Schonung und Entlastung.

Man übernimmt also Dinge wie Einkäufe und Kinderbetreuung?
Genau. Wer an einer Depression leidet, sollte soweit möglich trotzdem in Verantwortung eingebunden bleiben, etwas zu tun haben und soziale Kontakte pflegen. Bezugspersonen machen oft zu viel und erfinden mitunter sogar Ausreden für ihre Partner und Partnerinnen, damit diese etwa nicht zu Treffen mit Freunden oder bei der Arbeit erscheinen müssen. Man trägt also auf zwei Wegen zur Chronifizierung einer Depression bei: indem man Verhaltensexzesse wie ausgiebiges Klagen oder langes Schlafen unterstützt und Verhaltensdefizite wie reduziertes Interesse an Aktivitäten zulässt.

Wie findet man die Balance zwischen Verständnis und Motivierung?
Mit wohlwollender Beharrlichkeit. Ganz konkret bedeutet das, dass man die erkrankte Person in einem ersten Schritt abholt und Verständnis dafür zeigt, dass sie wenig Energie hat, sich schlecht fühlt und nicht aufstehen möchte. Im zweiten Schritt kann man der Partnerin oder dem Partner erklären, wie wichtig es ist, dass sie oder er aufsteht, weil die Depression sonst schlimmer wird. Anschließend kann man verschiedene Vorschläge machen, zum Beispiel einen Spaziergang zu machen, Freunde zum Essen einzuladen, die Eltern zu besuchen, Sport zu machen oder Musik zu hören.

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