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Loredana Facci, angehörige Tochter

«Kinder von erkrankten Eltern müssen ernst genommen werden»

Loredana Facci ist seit ihrer Kindheit eine Expertin aus Erfahrung. Die Erkrankung ihres Vaters hat sie dazu motiviert, sich in der Angehörigenbewegung zu engagieren.
Maske

Seit wann bist du Angehörige und in welcher Rolle?

Ich bin als Kind zur Angehörigen geworden. Mein Vater ist anfangs der Neunzigerjahre psychisch erkrankt. Insofern begleitet mich das Thema «psychische Krisen und Erkrankungen» nun schon fast mein gesamtes Leben lang.

Wie bist du mit der Erkrankung deines Nächsten umgegangen?

Als Kind habe ich natürlich nicht so viel von den Erwachsenengesprächen mitbekommen – geschweige denn richtig verstanden, was da genau vor sich ging. In diesem Alter stellt sich die Frage nicht, ob man Angehörige ist oder nicht. Es gehört einfach zum Leben, dass ein lieber Mensch immer wieder mal in die Krise gerät. Aus heutiger Sicht weiss ich, dass Kinder von Betroffenen sehr viel auch unbewusst mitbekommen und mit Ängsten konfrontiert sind. Ihre Perspektive sollte auch vom psychiatrischen System berücksichtigt werden. Leider war das damals nicht der Fall. Auch heute noch scheinen Kinder von Eltern in psychischen Krisen vom System oft vergessen zu gehen. Ich wünsche mir, dass Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen ernst genommen werden.

« Auch heute noch scheinen Kinder von Eltern in psychischen Krisen vom System oft vergessen zu gehen. »

Was hättest du dir damals gewünscht?

Ich hätte mir kindergerechte Erklärungen für die Umstände gewünscht – und professionelle Hilfestellungen für die Familie. Schliesslich führt eine psychische Erkrankung eines Familienmitglieds zu einer Erschütterung des ganzen Familiensystems.

Was würdest du anderen Menschen raten, die in eine ähnliche Lage kommen?

Als Kind wünscht man sich von den Erwachsenen, ernst genommen zu werden, egal in welcher Situation. Ich kann keinen Rat an ein Kind geben, aber mir wünschen, dass die Eltern die Thematik offen und ehrlich mit ihren Kindern besprechen. Zudem wünsche ich mir heute, dass die unterschiedlichen Institutionen die gesamte Familiensituation und die einzelnen Familienmitglieder in die Behandlung miteinbeziehen.

Warum engagierst du dich in der Angehörigenbewegung «Stand_by_you Schweiz»?

Ich engagiere mich bei SBY, weil ich mich für die Enttabuisierung von psychischen Krankheiten einsetzen möchte und mir wünsche, dass die Angehörigen eine Anlaufstelle bekommen. Einen Ort, wo die vielen offenen Fragen beantwortet werden, wo es Unterstützung in unterschiedlichen Bereichen gibt. Eine Organisation, die sich für die Anliegen der Angehörigen einsetzt und ihnen ein Gehör verschafft.

Sie sind nicht allein

Sind auch Sie Angehörige:r oder Vertraute:r einer psychisch erkrankten Person? Wir sind für Sie da. Ob in täglichen Herausforderungen oder in Situationen der Hoffnungslosigkeit versuchen wir, Orientierung zu geben und gemeinsam Wege zu finden. Kontaktieren Sie uns.