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Buchvorstellung: Felix Hasler „Neue Psychiatrie – Den Biologismus überwinden und tun was wirklich hilft“

Im Alltag von Menschen, die in irgendeiner Weise mit der Psychiatrie zu tun haben, seien es Betroffene, Angehörige und Vertraute oder psychiatrisch Tätige, spielen in der Regel Psychopharmaka eine Hauptrolle. Dass es so ist, hat zu tun mit der hauptsächlich biologisch ausgerichteten wissenschaftlichen Grundauffassung von psychischen Erkrankungen. Dass es auch anders geht, bzw. gehen muss, davon handelt das Buch.

Den Biologismus überwinden und tun, was wirklich hilft

Der Autor Felix Hasler ist Pharmakologe und Research Fellow an der Humboldt Universität zu Berlin, zuvor forschte er an der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Was er uns vermitteln will, lässt sich kurz und prägnant zusammenfassen:

  • Psychiatrische Krisen sind im Kern soziale Störungen. Hasler beschreibt den Weg in eine neue Behandlungskultur. Dieser führt von der biologischen Psychiatrie hin zur sozialen Psychiatrie.
  • Die Hirnforschung erklärt nur unzureichend, weshalb Menschen psychisch erkranken, grundsätzlich werde der Beziehungsaspekt in der psychiatrischen Arbeit vernachlässigt.
  • Die Dominanz der biologischen Psychiatrie führt dazu, dass psychosoziale Faktoren in den Hintergrund treten und die Medikation an erste Stelle tritt.
  • Im Vordergrund steht nicht die schnelle Symptomreduktion, sondern das nachhaltige Überstehen einer psychischen Krise in gemeinsamer Anstrengung von Erkranktem, Umfeld und Therapieteam.
  • Der Wandel in der Psychiatrie geht von Recovery-Prozessen von der Basis aus.
  • In der Psychiatrie der Zukunft gilt «Verhandeln statt Behandeln», Klienten werden als Experten ihrer Krankheit angesehen.

Diesen Wechsel der wissenschaftlichen Grundauffassung vom Biologismus hin zu einer sozialpsychiatrischen Grundauffassung ist Teil des Manifestes von Stand by You Schweiz, heisst es doch darin u. a. „Unser Ziel ist es, die Psychiatrie in der Schweiz nachhaltiger, wirksamer und menschlicher zu gestalten.“

Zum Blick ins Buch 

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Der Biologismus und die einstigen damit verbundenen eigentümlichen Behandlungsmethoden.

Der Biologismus in der Psychiatrie geht auf den deutschen Psychiater Alfred Kraepelin zurück. Er vertrat  Ende des 19. Jahrhundert die Ansicht, dass psychische Erkrankungen Gehirnkrankheiten seien. Diese Ansicht ist bis heute die Leitidee der Psychiatrie geblieben. Wenn auch heute die Auffassung vertreten wird, dass psychische Erkrankungen biologische, psychologische und soziale Ursachen haben (biop-sycho-soziales Modell), hat die biologisch orientierte Behandlung mit Medikamenten, die auf das Gehirn wirken, immer noch Vorrang vor psychologischen und sozialen Behandlungsformen.

Dieser Vorrang der biologischen Herangehensweisen bei der Behandlung hat somatische Behandlungsmethoden, aufkommen lassen, die aus heutige Sicht einem Gruselkabinett gleichkommen:

im 19. Jahrhundert

  • Blutentnahmen und Aderlass
  • Drehstuhl
  • Schocktherapien (kalte Duschen, plötzliche Kaltwasserüberfälle, simuliertes Ertränken)

im 20. Jahrhundert

  • Elektrokrampftherapie (ab den 1930er Jahren)
  • Lobotomie (chirurgische Durchtrennung von Nervenbahnen im Hirn – ab den 30er Jahren)
  • Insulinschocktherapie (1920-1950er Jahre)
  • Psychopharmaka-Therapie

Letztere hat sich bis heute gehalten, wurde und wird laufend verfeinert und weiterentwickelt. Dennoch hat sie bis jetzt den erhofften Durchbruch in der Behandlung von psychischen Erkrankungen (noch?) nicht erbracht.

„Mir stellt sich die Frage, ob unsere Nachkommen die Psychopharmaka-Therapie dereinst ebenso als skurril beurteilen, wie wir es mit den somatischen Behandlungsmethoden unserer Vorfahren tun. Das ist an sich nicht tragisch. Tragisch ist einzig, dass unsere Psychiatrie noch weiterhin in ihrer biologisch geprägten Grundauffassung verharren wird. Zum Schaden vieler Patienten und deren Angehörigen.“ Bruno Facci