Wären die erschütternden Erlebnisse mit ihrem bipolaren Partner und Vater eines ihrer Kinder nicht gewesen, hätte Denise die Reise zu ihrem Ich wohl nie in dieser Form angetreten. Wie sie als Angehörigenbegleiterin anderen Betroffenen die Hand reicht, erzählt sie im Bericht.
Als ich mit meiner zweiten Tochter schwanger war, geriet mein damaliger Freund und Vater des ungeborenen Kindes in eine tiefe seelische Krise. Nach zahlreichen Klinikaufenthalten, schrecklichen Ängsten und fast unerträglichen Gefühlen der Hilflosigkeit erhielt er die Diagnose einer bipolaren Störung – beinahe zeitgleich zur Geburt unseres ersehnten Liebesbündels. Meine Welt zerbrach in viele Einzelteile, ebenso wie seine. Zwei Monate nach der Geburt unserer Tochter verliess er uns.
Trauer, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Wut
Es begann eine Zeit des blossen Überlebens. Zum zweiten Mal alleinerziehend, vermisste ich nicht nur meinen Seelenverwandten schmerzlich, sondern auch den Vater des neugeborenen Kindes in meinen Armen. Mit all den ungefragten Gefühlen, die auf mich einstürmten, versuchte ich zu funktionieren und meinen beiden Töchtern irgendwie gerecht zu werden, ohne wirklich zu verstehen, was geschehen war. Zum ersten Mal in meinem Leben setzte ich mich intensiv mit Fachliteratur über psychische Krankheiten auseinander und bildete mich, soweit möglich, im Bereich der Psychiatrie weiter. Ich führte Gespräche mit Freunden und Familie, wobei mich Scham, unendliche Trauer, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Wut begleiteten.
Der Weg zur Stärke
Erst als ich selbst keine Kraft mehr hatte und fremde Hilfe in Anspruch nehmen musste, fand ich allmählich wieder zu mir selbst zurück, zu meinem inneren Licht und meiner Stärke. Seitdem habe ich nicht nur in der Ausbildung zur Angehörigenbegleiterin bei EX-IN ein grosses Stück Heilung gefunden, sondern auch eine tiefe Reise zu mir selbst begonnen. Diese Reise zu meinem innersten, wahren Ich hätte ich ohne diese tiefgreifende Krise niemals in dieser Form freiwillig angetreten. Dafür bin ich unendlich dankbar. Seither haben sich mir ungeahnte Türen und Fenster geöffnet. Und die Reise geht weiter. Ich habe entdeckt, dass die Auseinandersetzung mit mir selbst mich zutiefst glücklich macht. Die neuen Puzzlestücke geben mir Halt und neue Sicherheit. Derzeit schenke ich mir durch eine weitere Weiterbildung neue Erkenntnisse, um mich selbst, meine Umwelt und die darin wirkenden Dynamiken noch besser zu verstehen. Ich gehe meinen eingeschlagenen Weg weiter, im Wissen, dass noch viel mehr vor mir liegt und dass ich mich immer tiefer und radikaler mit mir selbst auseinandersetzen möchte.
Die Hand reichen
Meine Motivation? Ich möchte anderen Angehörigen in Not sinnbildlich die Hand reichen und mit ihnen gemeinsam die Brücke zu einem gesunden und wieder selbstbestimmten Ich überqueren. Von Herzen möchte ich das weitergeben, was mir in dieser schweren Zeit so sehr gefehlt hat: Jemanden, der da ist, der mich hört und sieht und der mich mit all meinen Gefühlen und Nöten ernst nimmt. Dies ist mein Herzensprojekt.
Sie sind nicht allein
Sind auch Sie Angehörige:r oder Vertraute:r einer psychisch erkrankten Person? Wir sind für Sie da. Ob in täglichen Herausforderungen oder in Situationen der Hoffnungslosigkeit versuchen wir, Orientierung zu geben und gemeinsam Wege zu finden. Kontaktieren Sie uns.